Lob des Herkommens?

Im Jünglingsalter versagte ich auf gebahnten Wegen, ging wie ein ungeselliger Igel meine eigenen Pfade und sträubte abwehrend die Stacheln gegen alle Welt. Ich wollte nichts mehr wissen von der Verwandtschaft, die erstaunt und vorwurfsvoll nach mir ausblickte, nichts mehr von musterhaften oder erfolgreichen Grossvätern und Grossonkeln, die in Offiziersuniformen, mit Schnäuzen und strengen Blicken aus Bilderrahmen und Photobüchern den eigenrichtigen Enkel beschämten.»

Meinrad Inglin: Werner Amberg (1949)

Am Schwyzer Hauptplatz erlebte Inglin, zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder, zunächst das, was man eine behütete Kindheit in gesicherten Verhältnissen zu nennen pflegt. Der Vater, den Inglin selber als die beherrschende Gestalt seiner Kindheit bezeichnet, betrieb sein Geschäft im Erdgeschoss des eigenen Hauses: «Er war Uhrmacher und Goldschmied, aber er war bei aller handwerklichen Tüchtigkeit auch Sänger und Musikant, Jäger, Bergsteiger, Schütze und Offizier.» Gleichermassen angesehen wie beliebt, setzte er sich auch als Gemeinderat für das gemeine Wohl ein.

Mütterlicherseits ist Inglin ein Urenkel jenes Ambros Eberle, der sich nicht nur als Regierungs- und Nationalrat im jungen Bundesstaat einen Namen gemacht hatte: er begründete eine Lokalzeitung so gut wie die Fasnachtsgesellschaft der Japanesen (für die er auch die ersten Spiele verfasste), hatte die Idee, den Mythenstein zum Schillerstein zu machen und baute ob Morschach das Grand Hotel Axenstein, in dem so illustre Gäste wie Königin Viktoria abstiegen.

Die Herkunft aus zwei angesehenen Schwyzer Geschlechtern, das Heranwachsen unter den «strengen Blicken» der Ahnenbilder und der unausweichlichen Kontrolle durch die Dorfgemeinschaft liessen freilich den sensiblen Knaben seine unangepasste Eigenrichtigkeit umso deutlicher empfinden, und die Ablösung von einer Umgebung, die er doch irgendwie als richtig und gültig anerkannte, erwies sich als schwierig. So spiegelt der autobiographische Roman Werner Amberg nicht eine glückliche Kindheit in geordneten Verhältnissen (die Inglin zweifellos auch hatte), sondern eine Folge von schmerzhaften Erfahrungen, die ihn schliesslich an den Rand des Selbstmords führen, bevor er den Mut zu seinem eigenen Weg findet.

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Werner Amberg (1949)

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