Vom Manuskript zum Buch
Ich habe als Schiftsteller nie nach einem Stoff gesucht, die Stoffe haben immer mich gesucht.»
Die innere Notwendigkeit seines Stoffes unterscheidet den Schriftsteller vom Literaten und Journalisten, der seine «Schreibgewandtheit», sein handwerkliches Können jedem beliebigen Gegenstand zuwendet; im Wendel von Euw erhängt sich der Dichter mit dem sprechenden Namen Selbrich, weil er nicht imstande ist, den verlangten Bericht über einen Kaminbrand zu schreiben.
Der lange und oft mühselige Weg vom Stoff bis zum Werk lässt sich bei Inglin in den verschiedensten Phasen verfolgen, weil er auch Notizen, Vorarbeiten und Entwürfe aufbewahrt hat; vereinzelt, etwa zur Arbeit am Schweizerspiegel, über die Quellen zum Ehrenhaften Untergang oder über Probleme im Spannungsfeld zwischen Mundart und Hochsprache, hat er sich auch grundsätzlich dazu geäussert.
Das Schreiben selber verlangt ausser der Inspiration auch ein gewaltiges Mass an Ausdauer und Selbstdisziplin. Inglins Kunstverstand misstraut der «hurtigen Feder» in zunehmendem Masse: «Wie leicht wäre es, der Lust zum Erzählen nachzugeben und fliessend hinzuschreiben, was in die Feder will! Es ist die Notwendigkeit der inneren Anschauung und des richtigen Ausdrucks, die den Schreibenden immer wieder zum langsamsten Arbeiten zwingt.»
Der ersten, mit zahllosen Streichungen und Zusätzen versehenen Niederschrift, oft in blauen Schulheften, aber auch auf der Rückseite von Drucksachen oder maschinengeschriebenen Entwürfen, folgt das für den Verlag bestimmte Typoskript, mit dem Inglin im Fall des Schweizerspiegels sogar vor der Vollendung des Manuskripts beginnt «aus Angst vor dem Berg blauer Hefte, der mich nach dem Abschluss anstarren wird und dem ich jedes Wort seiner hunderttausende von Worten bedachtsam grüssend sozusagen mit der Maschinenklappe aus der Flanke klopfen muss.»
Das «unabweisbare Gefühl, dass es so und so nicht genügt, dass dies und jenes besser gemacht werden kann und muss», verstummt auch vor dem schliesslich gedruckten Buch nicht. Die Haltung, die Inglin sich schon für Ingoldau notiert hatte, «immer auf der Jagd nach dem anschaulichsten Wort, dem schlagendsten Lakonismus, der Geste, in der der Seelenzustand des Helden aufgeht in restloser Plastik, ohne noch eine erklärende Gratiszugabe notwendig zu machen», führt von 1940 an bei jeder Neuauflage eines Werks zu Umarbeitungen, Kürzungen und Streichungen; die Ausgaben letzter Hand entsprechen so allesamt dem immer karger gewordenen Stilideal seiner späten Jahre.