Elementargewalten
Als er mit seiner Beute und dem Leibgeleit den welligen Urnersee hinabfuhr, orgelten die erregten Lüfte schon weithin durch die Uferwälder und jagten stiebende Fahnen über das Wasser, der Föhn warf sich wütend auf der ganzen Breite hinter die Wellen und wälzte sie grünlich dunkel mit weiss aufschäumenden Kämmen gegen Brunnen hinaus.»
«Dass alles, auch wenn es noch so schön und lustig war, mit Trauer, Angst und Schrecken ende», gehört zu Inglins Grunderfahrungen. Die «Erwartung eines immer drohenden Unheils» und das «Vorgefühl einer plötzlichen, furchtbaren Wende» bestimmen das Lebensgefühl seiner frühen Jahre; die «dunklen Mächte» schlagen denn auch immer wieder offensichtlich oder von der Umgebung unbemerkt zu, und obwohl die Natur ihm Heimat und mütterlicher Zufluchtsort zu sein verspricht, ist eine elementare Gefährdung alles Vorhandenen auch und gerade in ihr immer gegenwärtig.
Dem Bewusstsein, «auf einer dünnen Eisschicht» zu leben, durch die man «plötzlich zur furchtbaren Wahrheit durchbrechen kann», entspricht gewissermassen seitenverkehrt das Bedrohtsein durch das Elementare, das jederzeit zum Ausbruch kommen kann, sei es in der spektakulären Form der Naturkatastrophe oder mit der unwiderstehlichen Selbstverständlichkeit der Übermacht. Das Erfrieren im lautlosen Schneefall (bei Josef Scheckli und dem Schirmflicker) erinnert an die Müdigkeit, zu der Inglin unter dem Stichwort «Vorgeschmack des Sterbens» notiert: «Die Seele brauchte den Leib nicht mehr, mochte sie nun erlöschen oder in die Allseele eingehen. Ich wollte schlafen, schlafen, alles andere war mir so gleichgültig, als ob ich schon alles Erlebenswerte erlebt hätte und des Lebens müde wäre. Ich stellte mir mein Sterben als erlösendes Einschlafen vor.» Am andern Ende der Skala, in der Fieberhitze, empfindet er ähnlich: «Mir schien, ich sei in eine durchsichtige Kugel eingeschlossen, die alles Unwesentliche, Störende von mir abhielt, ich fühlte mich darin tief geborgen und war bereit, ohne Widerstreben nun so zu erlöschen.» Die ungeheure Gleichgültigkeit, mit der mühsam Errungenes, liebevoll Gestaltetes, hoffnungsvoll Gewachsenes über Nacht hinweggefegt wird, ist übermenschlich und unmenschlich zugleich. Aus dem ständigen Wissen um diese Bedrohung und dem entschlossenen Willen, es mit der gebrechlichen Einrichtung der Welt trotzdem zu versuchen, bezieht Inglins Werk eine seiner stärksten Wirkungen. |